Projekt Singen - ein Leben lang
Ausgehend von der Hospizbewegung vollzog sich Ende der 60er Jahre ein Wandel hin zu einer ganzheitlichen Betrachtung des Menschen.
Demnach bedingen Lebensqualität, Wohlfühlen und Heilung eine Betrachtung aller Dimensionen unseres Mensch-Seins: physisch, psychisch, psycho-sozial und spirituell. Diese Denkweise hat die rein technisch-medizinische Sichtweise wesentlich erweitert und wurde inzwischen in vielen Bereichen der Pflege und der Betreuung von Menschen in schwierigen Lebenslagen übernommen. Das Wissen um die der Musik innewohnenden Kraft durchzieht und prägt alle Kulturen seit Urzeiten. Untersuchungen in jüngster Vergangenheit belegen auch wissenschaftlich: Musik vermag es, den Herzschlag zu reduzieren, Schmerzen zu lindern, durch das Spüren von Glücksmomenten und Gemeinschaft die Lebensfreude zu steigern u.u.u.
Wie sehr Musik auf Menschen einwirkt, sie aufrüttelt, verändert und emotional erreicht, erfahren wir als Musiker permanent im Gottesdienst, bei Konzerten, Tanzveranstaltungen, beim Singen auf Almhütten, in Pflegeheimen. Das wird gerade in Grenzsituationen menschlichen Daseins, bei Krankheit oder Todesnähe in besonderer Weise ersichtlich und spürbar. Bischof Stecher bemerkte dazu in seiner unnachahmlich-poetischen Art: „Glocken kann man nicht einfach in Betrieb setzen wie Maschinen. Sie brauchen Zeit sich einzuschwingen. Dann kann ihr Ton klar und voll über Stadt und Land gehen.“ Hierin liegt wohl eine der vornehmsten Aufgaben der Musik: Menschen anzurühren, sie in Schwingung zu versetzen, verschlossene Pforten zu öffnen, Verschüttetes ans Licht, Leises und Verstummtes wieder zum Klingen zu bringen. Lieder aus Kinder- und Jugendzeit erreichen die Menschen dort, wo Worte nicht mehr hinkommen. Besonders dann, wenn Darbietung und die verwendeten Instrumente dem entsprechen, was Kranke, Menschen mit dementiellen Veränderungen, Sterbende in ihren Jugendtagen gehört haben. Dies kann Erinnerungen und Bilder vor ihrem geistigen Auge wecken und längst vergessene Erlebnisse wachrufen. Alles Angeführte floss ein in die Auswahl der Lieder, Instrumente und Stimmen, in die Vorbereitung und Einspielung von 38 Titeln aus verschiedenen Bereichen ehemaligen und heutigen Liedguts. Als oberstes Ziel hatten wir immer vor Augen, sowohl Menschen in Grenzsituationen menschlichen Lebens zu erreichen als auch – aus Erfahrung wissend - die vielen, welche sich über diese Liedzusammenstellung freuen werden. Den tirol kliniken ist zu danken, Anstoß für dieses Projekt gegeben zu haben, vielen hilfsbereiten Institutionen für ihre Unterstützung. Lob und Dank gebührt allen Ausführenden, welche sich mehr als engagiert in den Dienst der Sache stellten!
Georg Schmid
Musikalischer Gesamtleiter